Vom Verschwinden echter Nachhaltigkeit.

Die Korbmacherei ist ein schönes, wichtiges, weil tatsächlich äußerst nachhaltiges Handwerk, das leider fast schon durch das Raster unserer Zivilisation im Rausch des Massenkonsums gefallen ist. In der Leute tatsächliche eine Individualität durch Unikate ignorieren, um diese vermeintlich über die Markenzeichen auf ihren Fließbandprodukten exponieren zu können und Respekt einzufordern über die alberne Skala einer absurd künstlichen Wertehierarchie.

Eigentlich ist Fernost ja nicht, wie so oft kolportiert, unsere verlängerte Werkbank, aber unser noch billigeres Fließband auf Kosten von Mensch und Umwelt. Die Ursachen sind eine Mischung aus Bequemlichkeit und marketinggetriebender, stumpfer Konsumgeilheit bei den einen und Raffgier bei den anderen. Dafür hat man eine systematische Obsoleszenz geschaffen, die Sollbruchstelle in allem, nebst der Verunmöglichung jeder Reparatur, der goldene Schlüssel zu einer dystopischen Müllapokalypse. Es wird nur noch getauscht, nicht wiederhergestellt. Die Menschen haben sich so sehr daran gewöhnt, sich über den Tisch ziehen zu lassen, dass sie die Reibungshitze für Nestwärme halten.

Ihr wisst schon, dass beinahe kein Hemd auf der Welt tatsächlich mehr als 5 Dollar kostet … und das, wenn es bereits „fick und fertich“ verpackt in einem europäischen Hafen liegt? FOB: Free on Board. Ob Markenartikler oder KiK. Das aber interessiert Brigitte und Frank Mustermann nicht, die für das als Stofffetzchen eingenähte Markenversprechen gerne auch mal mehr als hundert Tacken bei ihren Hökern lassen, die unsere immer uniformeren Innenstädte visuell vermüllen bis man keine Fußgängerzone mehr auseinanderhalten kann.

Selbst hatte ich das große Glück, einen echten Könner in dieser Disziplin aus einer waschechten Korbmacherdynastie schon vor vielen Jahren kennengelernt zu haben: Michael Steinberg der inzwischen beinahe "hochbetagt" noch immer ein Geschäft in der Kölner Südstadt unterhält. Für mein Studium der Innenarchitektur machte ich ein mehrwöchiges Praktikum bei ihm und bin für immer an dem fabelhaften Material und dessen Möglichkeiten hängen geblieben. Viele Jahre später sind wir dann noch einmal gemeinsam durch Südostasien getingelt. Ich arbeitete in verschiedenen Projekten der internationalen Entwicklungshilfe zur Mittelstandsförderung mit, unter anderem in Kambodscha, Laos und Vietnam und es gelang mir, ein paar Expertenjobs mit ihm zu besetzen. Das hat den Betrieben vor Ort sehr gut gefallen, mal mit einem Fachmann zu arbeiten und nicht nur mit Soziologen oder Volkswirtschaftlern deren sedierende Powerpointpräsentationen im Wachkoma zu durchleiden.

Künftig werden wir uns das Know How dann wohl aus diesen Ecken der Welt holen müssen. Verrückt, wo wir doch hier mit der Berufsfachschule für Flechtwerkgestaltung in Lichtenfels in Oberfranken eine Institution mit langen Traditionen von großem internationalem Ruf haben. Eine anspruchsvolle, qualifizierte Bildung und Ausbildung waren einmal Markenzeichen unseres Landes und haben einst den Ruf „made in Germany“ begründet. Heute ist der Lack ab.

Ich plante oft und gerne mit dem Material, so zum Beispiel auch als „Wiener Achteckgeflecht“ auf der Sitzfläche der Stahlfreischwingern eines Marcel Breuer über Thonet, die ich immer gerne einsetzte. Im Studium beschäftigte ich mich auch noch für zwei Semester mit der Textilweberei und dem Papierschöpfen. Ersteres half mir viele Jahre später in einem Projekt im Senegal in Dakar in den kunsthandwerklichen Webereiwerkstätten der Mauretanierin Aicha Dionne, die später auch an französische Modefirmen lieferte, in Diskussionen auch inhaltlich zu bestehen oder bei den Ikatweberinnen in Laos in Vientiane oder Luang Prabang. Zweiteres vor beinahe 20 Jahren in einem Projekt in Bhutan, wo ich mir ein paar Stunden Zeit nehmen konnte, mit einem echten Könner vor Ort, handgeschöpftes Maulbeerbütten wirken zu dürfen, was für die Projektkommunikation extrem förderlich war. Eine Langnase, was relativ ist, die sich „mit uns“ die Finger dreckig macht im Brei … das schaffte Nähe. Warum diese Exkursion zu den Webern und Papiermachern? Weil es diesen Handwerken ganz ähnlich ergeht, wie noch vielen weiteren mehr. Aus meiner Perspektive ein großer, unumkehrbarer Verlust. Die Menschheit verblödet und verrät sich sinnfrei und überflüssigerweise für die Gewinnmaximierung einiger weniger, um sich künftig mit immer schlichteren industriellen Standardlösungen zufriedengeben zu müssen, auf dass aus Scheiße Gold wird.

Ein Korb ist übrigens immer besser, als eine Scheiß-Plastiktasche, deren Fasern sich früher oder später kleinstteilig in allem und jedem wiederfinden werden, ob im Alaskakabeljau oder antarktischen Pinguinen und auch in uns selbst, Land und Meere kontaminieren und als Riesenmüllinsel im Pazifik dümpeln.

Ein Korb aus Weidengeflecht sieht übrigens nicht nur viel besser aus, er lässt sich zudem reparieren, ausbessern und hält bei ordentlicher Behandlung und liebevoller Pflege Generationen.

Nein, früher war gewiss nicht alles besser. Manches aber schon.

Zum Beitrag des Schweizer Kulturfernsehens geht es hier:

https://www.facebook.com/srfkultur/videos/529279653083600

Bruno SchulzComment