Müllhalde Facebook?

Ja klar, auf Social Media gibt es unzählige Idioten. Aber ist das im wirklichen Leben tatsächlich anders? Jenseits der sauber kuratierten Bubble, die ja auch irgendwie und irgendwann zur „Inzucht“ führt? So what? Facebook wirkt da doch nur wie ein Brennglas.

Ich kann allerdings auch ganz sicher für mich statuieren, dass ich dank Facebook schon einige sehr interessante Persönlichkeiten kennenlernen durfte, denen ich im konventionellen Alltag kaum begegnet wäre und die ich in Teilen bereits „in Echt, live und in Farbe“ getroffen habe. Unvergessen sind die zwanglosen „Cometogethers“ im früheren „Crazy Horst“ in der Hamburger Hein-Hoyer-Straße bei meinem Freund Horst Schleich, der heute leider nicht mehr lebt, an der Bar im „Café Paris“ (erinnerst du dich Mari Gomez, es ist kaum 12 oder 13 Jahre her), oder auch an anderen Orten der Republik. Gerne erinnere ich mich an einen denkwürdigen Abend in Köln im Zimt & Rosen bei meiner Freundin Johanna Dohle, wo eine meiner ersten Lesungen stattfand, an die nachklingende aftershow im „Weißen Holunder“ bei Jessica Friedsam, oder an das Bier in der rustikalen Schänke eines ländlichen Schützenvereins in der Nähe von Neumarkt i.d. Oberpfalz, wo Johannes Kraus seinen Thekendienst versah. Ein toller Anlass war auch das RAW WINE-Event in der Berliner Markthalle Neun, der Besuch des Hamburger Isemarktes mit meiner Freundin Marie-Louise Barchfeld, nebst Lunch im Bistro Brücke, die ich allerdings schon bei dem gemeinsamen Verzehr meines Schokoladenkuchens in der Küche der einstigen Brigitte-Redaktion kennengelernt hatte, auch via Facebook), dass ich Gerrit Gley auf dem 60sten Geburtstag meines besten Freundes Jörg Holsten auf St. Pauli traf und viele, viele andere Gelegenheiten, tolle Menschen kennenzulernen und einen spannenden (das hier als geschundenes Adjektiv tatsächlich mal passt) Austausch zu finden.

Nein, ich habe niemanden vergessen, es würde allerdings hier jeden Rahmen sprengen. Stimmt‘s, Uta Gleiser? Pat Appleton? Mirko Volkstädt? Eve Champagne? …

Für mich geht es auf Facebook ja nicht um die sinnfreie Auseinandersetzung mit den üblichen Hohlblöcken, jedenfalks nicht nur, aber vielmehr um das erfolgreiche Schürfen von Edelsteinen. Und ja, die sind hier. Und reichlicher, als man annehmen möchte. Aufrichtige Leute, mit guten Ansichten, die auch mal Farbe bekennen. Feinsinnig, empathisch, interessant. Aus allen Altersgruppen, allen Ethnien, allen Geschlechtern und sexuellen Orientierungen. Mit unterschiedlichem Geschmack in Musik, Kunst und Literatur und diversen politischen An- und Einsichten, aber der deckungsgleichen Überzeugung, was die Werte einer pluralistischen Demokratie betrifft.

Bei allem Mist hier, gibt es eben auch das. Und das gefällt mir. Ganz entgegengesetzt dem allgemeinen Trend, heute irgendwie alles Scheiße finden zu wollen.

Schön, dass Ihr da seid.

Bruno SchulzComment