Schicksal.

Die besten Geschichten schreibt bekanntlich das Leben. Zumindest schenkt es uns die Impulse für manche gute Story. Und hinter fast jeder hübschen Pointe steht nicht selten ein echtes Schicksal.

Mein Wörterbuch beschreibt das Schicksal als Fügung, die von einer imaginierten höheren Macht bestimmt, sich aller menschlicher Berechnung und allen menschlichen Einflusses entzieht, das Leben des einzelnen Menschen aber maßgeblich beeinflusst.

Viele Leute ergeben sich diesem Quark widerstandslos. Und andere nutzen das Schicksal als Chance. übertragen ihm spontan die Verantwortung, geben ihm bewusst oder unbewusst das Steuer in die Hand und schauen neugierig dabei zu.

Ein sehr guter Freund, den ich namentlich diskret schone, hat mir vor einigen Jahren, kurz nach der Trennung von seiner Frau, von seiner interessanten Konstruktion berichtet, mit der er sein Gewissen zu sedieren vermochte. Es ist tatsächlich faszinierend, welche Kulissen sich das menschliche Gehirn zur Selbstentlastung einzurichten vermag.

Selbst entscheidungsunwillig, beschloss er die Entscheidung zur Auflösung seiner langjährigen, aber nicht sehr glückvollen Partnerschaft mehr oder weniger „unabsichtlich“ fremdzuvergeben und übertrug die alleinige Verantwortung Fortuna, in der römischen Mythologie die Göttin des Schicksals, der glücklichen oder unglücklichen Fügung und des Zufalls. Und seiner Exfrau, wenigstens ein bisschen, denn die hätte ja den Bildschirmschoner auf dem Laptop, auf seinem Schreibtisch, in seinem Büro nicht beenden müssen, um in sein Profil zu stolpern auf einem Tagesfreizeitportal mit Touchdown-Historie, nebst gegenseitiger Benotung und Bewertung und ausschweifender Lichtbilddokumentation.

Heute befindet er sich jedenfalls in einer Partnerschaft, die viel besser zu ihm passt und in einem sorglosen Leben, von dem er einstmals kaum zu träumen wagte. Für seine römische Götterfreundin, die er zärtlich „altes Mädchen“ und seine Advokatin heisst, entzündet er regelmäßig ein Kerzlein in der Kapelle vis à vis, in seinem Kiez, wo man es mit jeder aufgesetzten Moral ohnehin kaum richtig ernst nehmen mag.

Warum ich das alles aufschreibe? Vielleicht, weil nicht alles ist, wie es auf den ersten Blick ausschaut, nur weil es nahezuliegen scheint.

Kismet, wie der Türke sagt, Sekt oder Selters, Barfuß oder Lackschuh.

Rien ne va plus, was Hartgeldzocker früher gerne mal mit „Renate war blau“ übersetzten? Les jeux sont faits? Das Spiel ist aus? Quatsch, Ihr Angsthasen, die nächste Kugel rollt doch schon.

Bruno SchulzComment