"Kriminimal"
"Kriminimal"
(aus der taufrischen Rubrik: "heute schon gekotzt!": unsachlich, unreflektiert, spontan von der Leber.)
Tatsächlich war ich einige Jahre Junkie gut gemachter Kriminalgeschichten. Das Feuer gelegt hatte mein Vater, Gott hab ihn selig, der mir ziemlich früh in möglicherweise zu jungen Jahren den "Doppelmord in der Rue Morgue“ von Edgar Allen Poe auf den Nachttisch legte. Da war ich 11 oder 12 und fand die Nummer ziemlich gruselig. Ok, das war 1976, vielleicht 77. Heute käme die Nummer vermutlich als Reel in der Sendung mit der Maus, in einer Zeit, in der Dreizehnjährige bereits mit einem zweistelligen Bodycount protzen.
Was mir an Poe bis heute sehr gefällt, ist seine Innovationskraft, die Einzigartigkeit und seine sprachliche Brillianz. Darum habe ich seine kurzen Geschichten noch immer in Griffweite liegen. Mit der Pubertät mochte ich Dashiell Hammet, den „Malteser Falken“, den „Dünnen Mann“ und vor allem die gesammelten Short Stories. In fast allem, was ich danach im Genre las, zuvor oder hernach verfasst, gefiehl mir, wenn überhaupt, meist noch der Zündfunke. Die inflationären Sequels schmeckten von Mal zu Mal immer fader und die oftmals vorgeblich starken Personenentwicklungen gerieten sukzessive zu sedierenden Stereotypen. Anspruchsvollere Charakterstudien zu gestalten, ohne die nämlichen Charakter tatsächlich kennenlernen zu wollen und diese nur mit Tee und Marmorkuchen am Küchentisch zu entwickeln funktioniert nur für teilbegabte Gleichgestrickte. Blaupause, Reißbrett, grüner Tisch, Zutatenarchiv … alles Mist.
Das erschöpfte mich irgendwann regelmäßig und mit den Jahren immer schneller. Inzwischen breche ich nach wenigen Seiten oder kurzen Filmminuten ab, wenn ich das Gefühl nicht mehr loswerde, den Plot schon drei- oder viermal zu oft ertragen haben zu müssen.
Am allerschlimmsten aber sind die „Autoren“ und „Autorinnen“ auf der „Metaebene“. Die Nachahmer. Die, die sich eine ohnehin schon grottenlangweilige Donna Leon mit ihrem Schoßhund Guido Brunetti und ähnliche Dauerschleifen zum Vorbild nehmen, das mit der dünnen Heldenreisencheckliste eines Christopher Vogler verquirlen, den man ihnen im kreativen Schreibkurs an die Backe geklebt hat, um daraus unerträgliche Banalitäten zu konstruieren und damit auf Adressaten schielen, mehr Kunden als Leser, die sich nach ständiger Wiederholung sehnen, wie die junge Christiane F. nach dem nächsten Schuß und später Tante Hertha nach ihrem Eierlikör ohne jede böse Überraschung. Ein Zeichen der Zeit. Vermutlich. Vielleicht so, wie die unerträglichen Schmonzetten im deutschen Fernsehen, Istanbulkrimi, Kroatienkrimi, Stockholmdingens, Islandmätzchen … mit den beliebten deutschen Holzschnitzhauruckdarstellern - potzblitz! - an exotischen Plätzen zu fadendünner Handlung. Traumschiff trifft Sherlock Holmes oder vielleicht noch Hannibal Lecter. Vom Tatort ganz zu schweigen. Man zerschmilzt binnen Sekunden vor Fremdscham.
Ich könnte noch stundenlang weiterkotzen, aber auch besser differenzieren, sachlicher argumentieren, mehr Zeit darauf verwenden, es sauberer zu belegen, intelligenter zu formulieren, es weniger subjektiv raushauen.
Aber warum, mir war halt gerade mal danach.
Eine augenblickliche Unmutssaufnahme wegen einer spontanen „Kontaktallergie“.
Und jetzt? Zurück zum Alltag.