Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen?
Ein privilegiertes zweiundzwanzigjähriges Bürschlein aus Deutschland bereist, besser: konsumiert 190 Länder kaum mehr, denn als Tagestourist und unterhält seine Tiktok-Community und andere Schlüsselloch-Marco-Polos mit seinem ignoranten Urteilsstakkato: Daumen hoch - Daumen runter, so leicht geht das.
Dabei sucht und findet wohl jeder Mensch etwas anderes in der Welt und ein nicht unerheblicher Teil reist auch nur, um eben unterwegs zu sein und mit ein paar infantilen Selfies andere zu beeindrucken. Es wird überhaupt viel zu viel gereist. Ohne Sinn und Verstand. Um am Ende doch nur an Pool oder Strand zu liegen, aufgeladen mit halbgarem Postkartenkolorit.
Ich kenne tatsächlich Leute, marketingferngesteuerte, bildungsferne Selbstdarsteller, die waren auf Sansibar, Bali, Mauritius, den Malediven und Seychellen, in der Karibik und an ein paar weiteren exotischen Destinationen, um letztlich überall „all inclusive“ am selben „beach“ zu liegen, der so kaum mehr sein kann, als die peinliche Phantasie vom schönen, großen Leben, oder dem, was Brigitte und Frank Mustermann dafür zu halten gedenken: eine Wichsvorlage. Unterwegs sein, um andere mit den Lichtbilddokumenten des vermeintlichen Lifestyles zu beeindrucken. Nicht selten alles nur auf Pump.
Man darf sich ohnehin getrost selbst befragen, welcher Sinn darin liegen kann, Abertausende rund um den Globus zu fliegen um denen dann das Gefühl des gehobenen Spaßbads mal Lanetta plus ein paar visuellen Souvenirs zu vermitteln und sich dabei noch ein bisschen wie die Expeditionslegende Johann Heinrich Barth zu fühlen, nur weil abends ein bisschen Sand in der Dusche liegt.
Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Reisen bildet. Keine Frage. Nur setzt das eben auch den Willen und die Begabung zur intellektuellen Auseinandersetzung voraus. Und zur Konzentration auf die eigenen geschulten Interessen jenseits des lächerlichen Konsums von Schirmchencocktail und Klischee. Nein, das Glas Etikettenchardonnay allein ist da noch kein echtes Upgrading.
Die Welt ist ziemlich komplex, dass der, der glaubt, im Konturenflug alles sehen und mitnehmen zu können am Ende doch ziemlich leer ausgehen wird. Besser man besucht, was einen wirklich interessiert, weil man sich damit bereits ein bisschen beschäftigt hat. Vielleicht aus einem Zusammenhang heraus. Man taucht ein, nimmt an und reflektiert. Denn Eindrücke und Erfahrungen wachsen nur langsam in einem selbst. Wenn man sie plegt. Ob einem blondniedlichen Rucksackluca das Taxi zu teuer war, das Eis nicht schmeckte, das Schnitzelchen „Max und Moritz“ zu klein oder der Influencertraum zu groß war, interessiert mich alte, dicke, weisse CIS-Hete in etwa so sehr, wie die Kuh von der bemannten Raumfahrt träumt.
Und ohnehin kann sich ja bald keiner mehr leisten zu reisen, weil die Mittel knapper werden, oder die Krisenherde größer und näherrücken, und die Freiheit in der Welt kläglich schrumpft. Dann geht reisen nur noch mit dem Finger auf der Landkarte oder der Nase im Folianten.
PS: ich mag ja immer sehr den Norden Dänemarks. Seit achtundfünfzig Jahren. Italien ebenso und sehr gut gefallen haben mir auch Laos und Bhutan und einige andere Länder, in denen ich das große Glück hatte, arbeiten zu dürfen.
Guten Morgen.