Erbärmlich.

„erbärmlich“

Das Adjektiv „erbärmlich“ leitet sich grundsätzlich von „erbarmungswürdig“ ab, also vom schlechten oder armseligen Zustand einer Person, einer Sache oder einer Handlung, deren man sich empathisch erbarmen möchte - man mag also helfen, unterstützen, aus einer misslichen Lage befreien. Daraus wurde dann im weiteren Verlauf doch noch ein Marker für eine „sehr schlechte Qualität“, oder später dann das in einschlägigen Kreisen gebräuchliche Synonym für „moralisch verwerflich“ als griffiges Hyperlativ der Empörten und selbstdeklariert Moralinhärenten. Mehr geht nicht. Immer volle Pulle. Genau das ist das Klientel mit der Satzzeicheninflation, oder nur eine knappe Evolutionsstufe darüber, kurz nachdem der Fisch an Land kam. Fünf Ausrufezeichen mindestens, darunter geht es nicht.

Wo „erbärmlich“ bedeutungsschwanger mit selbstgerecht bebender Brust vorgetragen wird, muss alles Sinnstiftende augenblicklich weichen. Die Vokabel erstickt jeden Ansatz von gedeihlicher Debatte. Und das will sie auch. So wie das gottbeschissene Neidargument und die anderen Discountsophismata aus dem Urschlamm der Einzellerrhetorik. Denn sie ist die groteske Bemühung, die eigene intellektuelle Übersichtlichkeit mit dem vermeintlichen Anspruch biblischer Ausmaße auszustopfen.

Erstaunlich ist, dass das inflationäre „erbärmlich“ links wie rechts anzutreffen ist, im unteren Drittel oder noch darunter, wobei die typische Nutzergruppe eigentlich gar nicht politisch gegriffen werden müsste, eher schon pathologisch.

Bruno SchulzComment