Die Toleranz ist kein Steckenpferd, oder: vom Toleranzmissverständnis.
Tolerant zu sein, bedeutet übrigens nicht, dass ich es jetzt gefälligst auch toll zu finden habe, wenn erwachsene Menschen das Reiten von Steckenpferden als Leistungssport bis hinein in kleinteilige Turnierstrukturen und Meisterschaften durchziehen, nur weil Lieschen, Dörthe und Brigitte Mustermann das infantile Rumgehoppel bewundern und augenblicklich nach Breitenakzeptanz verlangen.
Toleranz bedeutet vielmehr auszuhalten, dass ich das weiterhin subjektiv hochidiotisch finden darf, was absolut ok sein sollte, solange ich andere dadurch nicht einzuschränken gedenke. Und ehrlich, sollen die doch alle machen, was sie wollen, egal wie ich das finde. Ganz im Gegensatz zu mir. Ich muss es jetzt super finden, um mich nicht als intoleranter, alter weisser CIS-Heten-Boomer-Nazi diskreditieren lassen zu müssen.
„Toleranz bedeutet die Anerkennung der Tatsache, daß alle Menschen, natürlich mit allen Unterschieden ihrer Erscheinungsform, Situation, Sprache, Verhaltensweisen und Werte, das Recht haben, in Frieden zu leben und so zu bleiben, wie sie sind.“ Das ist der Einstieg in die UNESCO-Erklärung von den Prinzipien der Toleranz.
Ein Mensch gilt als tolerant wenn er andere Meinungen gelten lassen kann, vorausgesetzt es handelt sich um „Meinungen“. Aushalten zu können und zu wollen, dass andere Menschen anders leben, anders lieben, eine andere Religion haben als man selbst, anders kochen, andere Musik hören und so weiter und so fort. All das, solange es nicht die Grenzen der anderen verletzt, was nicht immer ganz so einfach einzuordnen ist. Die Achtung von unterschiedlichen Meinungen ist die Grundlage unserer pluralistischen Demokratie.
Toleranz bedeutet nicht, alles gut zu finden und schon gar nicht, alles gut finden zu müssen. Und es ist auch ganz und gar nicht tolerant, anderen aufzunötigen, was die gefälligst alles „zu tolerieren“ hätten, um dem fremddiktierten, nur vermeintlichen Gemeinsinn zu genügen.
Inzwischen ist es leider in Mode gekommen, anderen Leuten öffentlich mangelnde Toleranz zu unterstellen, nur um die eigene banale Agenda stumpf durchzusetzen. Gestützt von pathologischen Sophismata und einer Rhetorik, wahlweise aus dem Kindergarten, oder „schwarz“ aus dem Giftschrank.
Viele Diskutanten scheinen das Prinzip nicht verstanden zu haben, dass man sich mit keinem Toleranzetikett selbst adeln kann, um andere regelmäßig zu drangsalieren, sondern selbst immer und immer wieder liefern muss, um sie anderen abzufordern.
Vereinfacht: Toleranz ist keine selbstverständliche Meinungsgleiche, aber der feste Kitt, ungleiche Meinungen im gemeinsamen Diskurs zu halten, solange niemand zu Schaden kommt. Ganz einfach eigentlich.
Gibt es einen grundsätzlichen Anspruch auf Toleranz?