250 Millionen.

Ich liege hier gerade noch müßig herum. Ziemlich mäßig erholt von der Erschöpfung der letzten Wochen und der aktuellen Grundverfassung im allgemeinen und stromere mit meinem dicken Finger auf dem iPhone-Display durch meinen sozialmedialen Newsstream. Und bleibe hängen an einem Klassiker: „Was würdest du tun mit all der Kohle?“ Diesmal geht es um beachtliche 250 Millionen und den Triumph der Hoffnung über jede Wahrscheinlichkeitsrechnung. Ein entfernt facebookbekanntes Paar stellt sich diese Frage und die Antworten darauf gestalten sich angenehm wenig gegenständlich. Da geht es kaum bis gar nicht um die üblich klammfeucht ersehnten, banalen Anschaffungsfantasien, als um Ideen von Entkomplizierung, Unabhängigkeit und Sicherheit für andere. Um Leichtigkeit durch Sorglisigkeit und eben nicht um den Ballast aus Konsum und Habgier. Wie angenehm und für mich so gut nachspürbar.

Mir haben die Algorithmen vorhin die prominenten 112 Millionen im aktuellen Eurolottojackpot aufgestrichen. Nicht einmal die Hälfte und doch ein ziemlich dickes Ding. Was wäre wenn?

In jungen Jahren wären mir schnell ein exzentrisches Fortbewegungsmittel, eine Immobilie, komfortables Reisen und die Fähigkeit zur unabhängigen Entwicklung von Ideen eingefallen. Die Dinge haben sich verändert. Ok, von der Finanzierung meiner Ideen träume ich weiter, aber anstatt an Konsum denke ich heute tatsächlich vor allem an „Entkomplizierung“: weniger ist mehr. Eine großzügige Chance, das eigene Leben nachhaltig zu entrümpeln. Der Lebensraum, von dem ich träume wird schlichter statt erheblicher.

Mir wurde ja schon einige Mal unterstellt, ich sei ja nur neidisch, wenn ich mich lustig gemacht habe über hässliche, chronologische Komplikationen, die von Ballbewegern und Sprechsängern paparazzigerecht exponiert werden, das sinnfreie Defilee ressourcenschleifender, verbrennergetriebener Kompensationsmaschinen einer scheinbar dauerbedrohten Virilität oder die Anhäufung oftmals geschmackfreien Betongolds. Allein der Gedanke an die Verantwortung durch den Besitz macht mich fix und fertig: um Himmels Willen, bitte nicht. Mir gefiele gerade ein einfaches Häuschen hinter den Dünen. Nordjütland, Vendsyssel, der tägliche Spaziergang an der Jammerbucht und die Perspektive, nicht in wenigen Tagen schon wieder abreisen zu sollen.

Was also? Unabhängigkeit! Mich (noch) mehr auf die Dinge konzentrieren zu können und zu dürfen, die mich interessieren: „muss ich heute schon wieder machen, was ich will?“ Also eigentlich wie gehabt, nur mit viel weniger „wenn und aber“.

Ob ich Gutes tun möchte? Klar, das Karmakonto aufladen. Eine gute Idee, weil das etwas macht mit einem selbst. Und dann auch noch für andere. Da kann ich mir einiges vorstellen. Ich hätte die Zeit für die bewussten Entscheidungen dazu.

Und jetzt in diesem Augenblick? Hm. Das ist gar nicht mal so leicht.

(Danke für den Impuls, Ling Yue)

Bruno SchulzComment