Blond ist blöd - seit wann das denn?

Als ich gestern meine Kritik am Heraufbeschwören und neuerlichen Zementieren anachronistischer Rollenbilder durch eine maßstabslos überhöhte Inszenierung des Mittelmaßes durch globale Medienkonzerne à la Disney am Beispiel Taylor Swift zum Ausdruck brachte, fragte mich eine hysterisch aufgebracht anmutende Zeitgenossin sogleich, warum ich junge blonde Frauen so sehr hassen würde.

Hä? Hab ich da was verpasst? So einen Unsinn habe ich weder sinniert, noch verlautbart. Wie kommt man zu solchen Schlüssen? Aussetzern? Ladehemmung? Kurzschluss? Derartige schnappreflexhaften Herleitungen sagen eine Menge aus über die inhaltlichen wie rhetorischen Qualitäten in aktuellen Debatten in den sozialen Medien.

Eine glühende Fankollegin bettelte um umgehendes Blockieren, indem sie ihren wackeren Auftritt in meinem Thread adhoc mit einem dümmlichen ad-hominem-Aufschlag einleitete, um mir die bösen Geister der Häresie coram publico ihresgleichen verbal herauszufreislern. Dazu verstieg sie sich in eine abgeklärt toupierte Muttiaufsicht, der sie kaum gewachsen sein konnte und bediente sich zum nachhaltigen Kobern ihrer mitkeifenden Co-Adorantinnen des banalen Stammescodes der argumentativ Unbewaffneten: "Boomer", "alt", "weiss", "Mann".

Bitte, bitte, bitte, das jagt mir intensive Schauer heftiger Fremdscham durch meinen ranzigen CIS-Heten-Leib und ich möchte diese reflexionsbefreite Advokatin schlechten Stils am liebsten augenblicklich vor sich selbst schützen. Hab ich dann auch. Raus hier! Wer sich nicht benehmen kann, muss an den Katzentisch.

Übertriebender Fankult war mir von jeher maximalsuspekt - wie kann man sich auf fremde Biographien verlassen wollen, wenn schon die eigene keine Substanz hat - aber wenn Gewitterziegen mit einem potenziell riesigen, sicht- wie rechenbar herbeigealterten Erfahrungsschatz den pubertierenden Tunnelblick aufsetzen, ist das nochmal eine ganz neue Dimension quälend einschneidender Peinlichkeit.

Nicht mehr aushalten mag ich inzwischen das superinfantile Neidargument, das mehr über den Absender sagt, als über den Adressaten. Wie stumpf kann man bitte sein, Glück, Lebenssinn und Erfolg exklusiv mit einem mantraartigen Daherbeten eines abstrakten Zahlenwerks ermessen und statuieren zu wollen?

Und welchen Grad hat die progressive Hirnerweichung eingenommen, mit dem Götzen qua Duzerei eingleisig fraternisieren zu wollen: "die Taylor", "der Till", "die Helene" ... oder gleich "die Helli"? Weil man ja schon zusammen im Graben gelegen hat?

Der Star selbst kann ja gar nichts dafür. Außerdem kenne ich diese Leute überhaupt nicht. Aber genau darum muss ich das oft stumpfsinnige Gewese eben auch nicht aushalten wie den Geburtstag von Tante Gisela, wo es halt nicht anders geht ...

PS: Ist Taylor Swift tatsächlich blond?

Bruno SchulzComment