In Berlin wird gegrillt
Noch in den Nachwehen zu der Weltschen Lifestylekolumne, schwanke ich zérodosagechampagnerselig zwischen einem hochseichenden Besorgnisvortrag, ob die ausgestellten Ostreiden aus der Gattung der „Portugaises“ denn wohl auch tatsächlich aus dem Bassin de Marennes stammten und karussellenbremserstolz ihr gelasertes „G“ exponierten, wie die Monogram-Serie von Louis Vuitton ihr banales „LV“ zwecks Stabilisierung zutiefst selbstwertverunsicherter Egos von Menschen, die für die Monstranz ihres Wohlleben tatsächlich noch selbst etwas tun mussten und sei es nur, im richtigen Augenblick die wohlgeformten Beine aufzuwinkeln … und einem Bonmot des unerschütterlichen Oscar Wilde: „die ganze Welt war wie eine Auster für mich, aber ich benutzte die falsche Gabel“, des menschgewordenen Supremeshirts der Rezitierenden, die bei ihrem Publikum immer auf Nummer extrasicher gehen möchten. Auch, wenn der kuratierte Sinnspruch mal danebenliegen sollte, sorgt das plakativ aufgeprägte „Wilde“ augenblicklich für Entlastung. Sogar dann, wenn dieser das so gar nicht als Meme postulierte und erstrecht nicht in dieser Schrift, getreu der mahnenden Worte Laotses, dass „nicht alles stimme, was in diesem Internetz stünde“.
Waren das Tartar denn immerhin vom Escrimagroßmeister beidhändig gemessert aus einem totgestreichelten Weiderind und die Fritten aus der uralten autochthonen Kartoffelsorte aus dem abgelegenen Andental der Hundertjährigen von ausgewählten halbjungfräulichen Küchenhilfen barbusig so authentisch in Form getrieben, dass man meint, eine Hirtenflöte zwischen den Ohren zu tragen, auf der die leichte Sommerbrise der Terrassse ihr ewiges „el condor pasa“ haucht? Und, um geographisch für den Flügelschlag des Kolibris zu verharren, ahnen zu können, ob der so kreativ herbeihalluzinierte Regisseur seinen Hochlandschnupfen lieber kenntnisreich mit der feinen bolivianischen Ernte verwöhnte, als sich mit peruanischem Discountmarschierpulver ein blutiges Näschen einzuhandeln, aus Verzweiflung über das selbst für Berliner Verhältnisse arg strapazierte Stereotyp, nach dem er wenig fantasievoll aufgezeichnet wurde?
Ja, wird hier denn tatsächlich immer noch herumgedietelt? Und weiter, von unglücklich gealterten Künstlerinnen, die per Unterschrift unter antisemitische Pamphlete vom letzten misslungenen Facelift abzulenken trachten und zugleich die einschlägige Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien jetzt schon zu antichambrieren für eine weiter documenta?
Wie der Beschreibende selbst mit seinem Mythos verschmilzt.
Ob ich den Beitrag nicht verstanden habe? Ich denke schon, so kompliziert ist er ja nicht: weder als delirierter Livemitschnitt, noch als laubgesägte Ironie oder holzschnittartige Satire.
Fazit? Ich habe keins. Nicht wirklich. Ich lag hier herum in meinem Hotelzimmer wie ein gestrandeter Wal und konnte nach meiner nächtlichen Pilgerfahrt der alten Männder zur Grotte von Villeroy und Boch nicht wieder einschlafen. Also stromerte ich ein wenig durch meine Facebook-News und assoziierte ein paar Motive zum auslösenden Beitrag, um diese fingerübend in mein Telefon zu tippen.
Kritik? Höchstens an mir selbst, denn jetzt werde ich endlich wieder müde, um gleich aufstehen zu müssen.
Ein Kunde und Freund nannte das mal frotzelnd „geistiges Vagabundieren“.
Guten Morgen, Hamburg.
Nachtrag: Austern sind übrigens megagenderfluid und passen super ins hier und heute. Geschlechterwechsel nach Wassertemperatur. Quasi olympisch. Ein interessantes Modell in Zeiten des Klimawandels. Vom profanen Imbiss zum idealisierten Aphrodisiakum. So, jetzt haben wir wirklich fast alles verwurstet. Fehlen nur noch Lastenrad, Epidemien die Einsatzbereitschaft der Generation Z und irgendwas mit Ampel.